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Altmesopotamisches Bauwesen in den Keilschrifttexten.
Glossar der Bauterminologie



Markus Hilgert, Universitaet Jena. Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients. Lehrstuhl für Altorientalistik, c/o Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte:, E-Mail: hilgertm@gmx.de

Claudia Bührig, Deutsches Archäologisches Institut. Orient-Abteilung, E-Mail: clb@orient.dainst.de

Peter Damerow, Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte:, E-Mail: damerow@mpiwg-berlin.mpg.de


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Projektskizze

Diese langfristige, interdisziplinär angelegte Fallstudie zielt auf die Identifikation, Dokumentation, Klassifikation (sprachlich, semantisch, architektonisch, epistemologisch) und gegebenenfalls bildliche Illustration derjenigen Elemente des akkadischen und sumerischen Lexikons, die in altmesopotamischen Keilschrifttexten zur Darstellung von Sachverhalten aus dem Bereich des Bauwesens verwendet werden. Unter dem Rubrum "Bauterminologie" werden dabei jedoch nicht nur die Namen und Bezeichnungen von Bauwerken, Bautypen, Bauteilen oder Baumaterialien subsummiert, sondern etwa auch Berufs- und Amtstermini für die im Bauwesen tätigen Personen, Ausdrücke für die verwendeten Werkzeuge, Baustellengeräte und sonstige technische Hilfsmittel, Längen-, Maß- und Gewichtseinheiten sowie Begriffe aus den Bereichen der Bauplanung, -organisation, -logistik und -ausführung, die mentale und praktische Aktivitäten bzw. Prozesse beschreiben.



Nik 2, 441 , Nikol'skij, M. (1915)


Die Fallstudie verfolgt dabei ein zweifaches Erkenntnisinteresse. So wird einerseits eine möglichst umfassende lexikalische und semantische Erschließung der akkadischen und sumerischen Bauterminologie angestrebt. Zu diesem Zweck sollen nicht nur die sehr zahlreichen, formal und thematisch stark diversifizierten Keilschriftquellen mit entsprechender Evidenz herangezogen und ausgewertet werden, sondern auch diejenigen Befunde, die aus der archäologischen und baugeschichtlichen Analyse altmesopotamischer Bauwerke resultieren. Der Dialog zwischen Vertretern der Vorderasiatischen Archäologie, Bauforschung und Altorientalistik gehört daher zu den methodischen Grundlagen der Fallstudie. Überdies scheint es sinnvoll, die vielfach zu beobachtende metaphorische Verwendung akkadischer und sumerischer Ausdrücke aus dem Bereich des Bauwesens besonders zu berücksichtigen und eigens zu dokumentieren (1).

Es ist zu erwarten, daß diese interdisziplinäre und aus Sicht der altorientalischen Philologie innovative Disposition der Fallstudie eine beträchtliche Anzahl neuer Begriffsbestimmungen innerhalb der prinzipiell schwer zugänglichen, vielfach wohl dialektal, idiomatisch bzw. fachsprachlich geprägten altmesopotamischen Bauterminologie erbringen wird. Darüber hinaus dürfte es möglich sein, den spezifischen Inhalt zahlreicher, semantisch transparenter Begriffe durch die Einbindung archäologischen oder bauhistorischen Bildmaterials zu veranschaulichen. Als multimediales Speziallexikon stellt das "Glossar der Bauterminologie" damit ein besonderes Desiderat der Altorientalistik dar.

Andererseits soll die Fallstudie auch der Behandlung übergeordneter Problemkomplexe im Rahmen einer Wissensgeschichte der altmesopotamischen Architektur dienen. Dazu werden die Elemente der sumerischen und akkadischen Bauterminologie als schriftsprachliche Reflexe bautechnischen und logistischen Wissens im antiken Zweistromland begriffen und demgemäß vor dem Hintergrund epistemologischer Fragestellungen wie beispielsweise der Bedeutung handlungsimpliziten Wissens bei der Planung, Organisation und Durchführung komplexer Bauvorhaben, der Entwicklung und Vermittlung praktischer Wissenssysteme, der Kontinuität oder Diskontinuität solcher Wissenssysteme über ausgedehnte Zeiträume hinweg oder der Charakteristika ihrer schriftlichen Fixierung betrachtet. In seinem inhaltlichen und methodischen Anspruch hebt sich das Projekt damit deutlich von den rein philologisch angelegten Einzeluntersuchungen auf dem Gebiet der altorientalischen Bauterminologie ab, die bereits vor mehreren Jahrzehnten etwa von den Altorientalisten Albert Schott, Walter Baumgartner und Adam Falkenstein vorgelegt wurden (2).

Als Arbeitstool wird das "Glossar der Bauterminologie" als relationale Datenbank angelegt, in die sowohl Text- als auch Bildelemente eingearbeitet werden können und die im Internet frei zugänglich ist.

Die Bearbeitung des Forschungsvorhabens soll in mehreren Stadien erfolgen. Geplant ist zunächst die Auswertung und Dokumentation keilschriftlicher Quellen diverser Genres aus einem Zeitraum von etwa vier Jahrhunderten (ca. 2200-1800 v. Chr.) zwischen der sogenannten Lagasch II- und der Isin-Larsa-Zeit. Die individuellen Lemmata des Glossars sollen dabei nicht nur mit den jeweiligen Belegstellen in Transliteration und Abbildung verbunden sein, sondern gegebenenfalls auch relevante, ergänzende Zitate aus Keilschrifttexten unterschiedlicher Genres und Perioden, Verweise auf die einschlägige altorientalistische Sekundärliteratur bzw. auf Referenzwerke der Vorderasiatischen Archäologie und der Architektur sowie illustrierendes Bildmaterial an einem Ort vereinen.

In einer Erprobungsphase soll ein "Glossar der Bauterminologie" zu dem sehr ausführlichen, in sumerischer Sprache abgefaßten Bericht des Gudea von Lagasch (22. Jh. v. Chr.) über seine Bauarbeiten am Tempel des Gottes Nin-girsu zu Lagasch, dem E-ninnu, erstellt werden ("Gudea, Zylinder A und B")(3). Dieser philologisch vergleichsweise gut erschlossene Text ist sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht charakteristisch für das bedeutsamste Teilkorpus der zu analysierenden Keilschriftquellen - die Bauberichte altorientalischer Herrscher - und daher besonders gut für die Überprüfung und gegebenenfalls Optimierung der verwendeten Methoden und Hilfsmittel geeignet. Eine Handkopie der Inschrift ist unter http://efts.lib.uchicago.edu/cgi-bin/eos/eos_page.pl?DPI=100&callnum;=PJ3711.P2&object;=0 verfügbar.

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(1) Zu diesem Aspekt der Bauterminologie siehe beispielsweise Dietz O. Edzard, "Deep-Rooted Skyscrapers and Bricks: Ancient Mesopotamian Architecture and its Imagery", in: M. Mindlin u. a. (Hrsg.), Figurative Language in the Ancient Near East (London, 1987), 13-24.

(2) Siehe Albert Schott, "Die Vergleiche in den akkadischen Königsinschriften", MVAeG 30 (1926): 105-106. 109-115; idem, "Akkad. šu/ahuru, nama/eru und parakku", ZA 40 (1931): 1-28; Walter Baumgartner, "Untersuchungen zu den akkadischen Bauausdrücken", ZA N. F. 2 (1925-26): 29-40. 123-138. 219-253; Adam Falkenstein, "Sumerische Bauausdrücke", Or N. S. 35 (1966): 229-246.

(3) Transliteration und englische Übersetzung der Komposition sowie eine Bibliographie ausgewählter Editionen und Studien bietet D. O. Edzard, Gudea and His Dynasty, RIME 3/1 (Toronto, Buffalo, London, 1997), 68-101.

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